Verkehrte Welt im Landtag

Potsdam Johann Legner Dass er überhaupt in die Debatte eingriff, war schon eine Überraschung. Aber als Ministerpräsident Matthias Platzeck dann gestern im Landtag plötzlich von einem "dritten Weg" zwischen "entfesseltem" Kapitalismus und Planwirtschaft sprach, verkehrten sich die Fronten. Die Linken applaudierten, die CDU war zunächst ratlos und Saskia Funck, ihre finanzpolitische Sprecherin, sah sich anschließend zu einer scharfen Replik veranlasst.
Die Aktuelle Stunde zur Krise auf den Finanzmärkten bekam plötzlich und unerwartet eine grundsätzliche Bedeutung und offensichtlich wollte Platzeck dies auch. Nicht nur die Finanzwirtschaft, auch die Politik stehe vor einer schweren Vertrauenskrise, sagte der Ministerpräsident. Er zitierte eine neuere Umfrage, wonach eine Mehrheit der Ostdeutschen der Marktwirtschaft misstraue und 43 Prozent eine Rückkehr zu einem sozialistischen System wünschten. Er glaube zwar nicht, dass damit die DDR gemeint sei, aber er nehme dieses Meinungsbild "außerordentlich ernst." Dieses Misstrauen erfordere "harte Arbeit von uns allen zusammen", sagte Platzeck. Die "Phase des Neoliberalismus" sei endgültig vorbei und die Krise sei eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Platzeck nahm dabei sehr deutlich und zustimmend Bezug auf die vorangegangene Rede des wirtschaftspolitischen Sprechers der Linkspartei Ralf Christoffers. Der hatte seinerseits die grundsätzliche Zustimmung zu dem in Berlin beschlossenen Rettungspaket signalisiert und sich mit erkennbarer Zurückhaltung um einen parteiübergreifenden Krisenkonsens bemüht.

Die Christdemokratin Saskia Funck reagierte auf Platzeck dagegen sichtlich empört. Mit seinem Reden über einen dritten Weg "verunsichern Sie die Menschen", sagte sie. Dies erinnere sie an Aussagen des Vorgängers von Platzeck von einem "Brandenburger Weg", der gescheitert sei. Jetzt die "Systemfrage" zu stellen, sei aus ihrermSicht "der falsche Weg". Sie forderte Platzeck auf, klar zu stellen, was er denn meine mit diesem dritten Weg. Der wiederum verschärfte den Schlagabtausch weiter. Wenn Funck "richtig zugehört" hätte, wäre ihr bewusst geworden, dass "ich nicht zu einer Revolution aufgerufen habe." Die Sozialdemokratie habe schon immer auf Reformen gesetzt: Der Koalitionspartner müsse, wenn er "weiter mit uns regieren will", allerdings zur Kenntnis nehmen, dass im Grundsatzprogramm der SPD immer noch vom demokratischen Sozialismus die Rede sei. Er lasse sich auch nicht falsch auslegen, sagte er und wiederholte seine Forderung nach einem "Weg zwischen entfesseltem Kapitalismus und Planwirtschaft". Die neue grundsätzliche Frontstellung und der offenkundige Zwist zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD hatte sich in der bis dahin zumeist dahinplätschernden Debatte nur einmal angedeutet, als Funck ausführlich an das Ende der DDR erinnerte und damit die Überlegenheit marktwirtschaftlicher Systeme begründete. Der CDU-Politikerin war in ihrem Beitrag allerdings auch nicht entgangen, dass Christoffers auf eine Grundsatzkritik verzichtet hatte und sie lobte den Mann der Linken ausdrücklich dafür.

Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Mike Bischoff, Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) und der Chef des Finanzressorts Rainer Speer (SPD), die ebenfalls redeten, beschränkten sich im wesentlichen darauf, den möglichen Schaden der Krise für das Land klein zu reden. Bischoff sagte, die Sparkassen seien gute Geldinstitute, Junghanns meinte, die Unternehmen seien im Kern gesund und Speer erklärte, sein Haushaltskurs komme vorerst nicht in Gefahr. Der Finanzminister gab dann
noch bekannt, dass die Verluste der landeseigenen Investitionsbank ILB aus einer riskanten US-Anlage in etwa 10 Millionen betragen könnten. Für den Landeshaushalt entstünden daraus keine größeren Gefahren.